Probleme der umgekehrten Proportionalität
Anstelle der Bezeichnung umgekehrte Proportionalität wird in Schulbüchern auch die Bezeichnung „indirekte Proportionalität“ oder Antiproportionalität“ verwendet. Wir empfehlen, das Begriffspaar proportional - umgekehrt proportional zu verwenden. Mit den Bezeichnungen „indirekt“ und „Anti…“ können fehlerhafte Gedankenverbindungen beim Schüler entstehen.
Die wesentlichen Merkmale der umgekehrten Proportionalität sind im Folgenden analog zu denen der direkten Proportionalität dargestellt:
- Je größer die Werte der einen Größe, desto kleiner werden die der anderen Größe. Wird der Wert einer Größe verdoppelt, halbiert sich auch der zugehörige Wert der anderen Größe.
- Alle Produkte einander zugeordneter Werte sind gleich. (Produktgleichheit)
- Der Wert der einen Größe ist immer das Produkt aus einer Konstanten (dem Produkt der beiden Größen) und dem Kehrwert der anderen Größe ist. Es gilt allgemein die Gleichung y = P ∙ 1/x
- Das Verhältnis von 2 Werten der einen Größe ist gleich dem umgekehrten Verhältnis entsprechender Werte der anderen Größe.
- Wird der Zusammenhang graphisch dargestellt, so liegen alle Punkte auf einer gekrümmten Linie, die nicht die Achsen berührt.
Analog zu der direkten Proportionalität sollten im Unterricht dynamische Betrachtungen zu den Werten der Größen angestellt werden (Merkmal 1), wodurch sich auch die Bezeichnung „umgekehrte Proportionalität“ erschließt. Damit kann als erster Schritt festgestellt werden, ob es sich um einen umgekehrt proportionalen Zusammenhang handelt. Allerdings eignen sich diese Betrachtungen dann oft nicht so sehr für die Berechnung fehlender Größen, da die Schüler bei der Anwendung der „umgekehrten“ Rechnung sehr schnell durcheinander kommen können.
In den meisten Fällen geht es bei Aufgaben zur umgekehrten Proportionalität um den Zusammenhang zwischen drei Größen, wobei eine das Produkt der beiden anderen ist und konstant bleibt. Deshalb ist es zur Berechnung des gesuchten Wertes meist am günstigsten, auch hier die Frage zu beantworten „Was bleibt gleich?“, d. h. die Produktgleichheit zu verwenden (Merkmal 2).
Die Bedeutung des Produktes muss allerdings in den meisten Fällen erst aus dem Sachverhalt erschlossen werden, da in der Regel nur die zwei sich ändernden Größen gegeben sind. Bei Sachverhalten zur umgekehrten Proportionalität handelt sich meist um einen der in den folgenden Beispielen genannten Typen.
Auch bei umgekehrt proportionalen Zusammenhängen zwischen Größen sind die Bedingungen zu beachten, unter denen ein solcher Zusammenhang nur gilt. Sie werden oft nicht genannt bzw. nicht beachtet, wodurch die Aufgaben oft wenig realistisch sind.
Beispiele:
- Abhängigkeit der Zeit für einen bestimmten Weg bei verschiedenen gleichförmigen Geschwindigkeiten: Das Produkt aus Zeit und Geschwindigkeit ist der konstante Weg.
- Abhängigkeit des Geldbetrages, den eine Person erhält, wenn ein Betrag gleichmäßig auf eine unterschiedliche Anzahl von Personen aufgeteilt wird:
Das Produkt aus dem Geldbetrag für eine Person und der Anzahl der Personen ergibt den aufzuteilenden Betrag. - Abhängigkeit der Zeit, die für die Verrichtung einer bestimmte Arbeit durch Menschen oder Maschinen erforderlich ist (z. B. Pflastern eine Straße, Mähen eines Feldes, Füllen eines Wasserbeckens), von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Menschen bzw. Maschinen:
Das Produkt der beiden Größen entspricht der insgesamt zu verrichtenden Arbeit (z. B. Arbeitsstunden, Mähdreschertage, Pumpstunden).
Dabei wird in Aufgabenstellungen oft nicht beachtet, dass umgekehrte Proportionalität nur bei bestimmten Bedingungen vorliegt, z. B. wenn alle Menschen bzw. Maschinen die gleiche Arbeitsleistung erbringen und sich gegenseitig nicht behindern. - Tage, die ein bestimmter Vorrat (z. B. Futtervorrat) reicht in Abhängigkeit von der Anzahl der davon zu versorgenden Lebewesen (z. B. Pferde):
Das Produkt aus beiden Größen ist die Anzahl der vorhandenen Tagesrationen für ein Lebewesen. Auch hier muss vorausgesetzt werden, dass alle Lebewesen jeden Tag die gleiche Tagesration verbrauchen.
Bei diesen Aufgaben ist es sinnvoll, direkt die Gleichheit der Produkte zweier Größen zu untersuchen, seine inhaltliche Bedeutung zu erschließen und die jeweils gesuchte Größe aus dem konstanten Produkt durch Division zu berechnen.
Da das Arbeiten mit den Merkmalen 3 und 4 im Vergleich zur direkten Proportionalität noch schwieriger ist und inhaltliche Bezüge zum Sachverhalt kaum noch ersichtlich sind, sollte auf die Verwendung dieser Merkmale zur Charakterisierung der umgekehrten Proportionalität verzichtet werden.
Bei der umgekehrten Proportionalität handelt es sich um einen nichtlinearen Zusammenhang. Die Funktion f(x) = a ∙ x-1 wird erst im Rahmen der Potenzfunktionen in der 9. oder 10. Klasse als Spezialfall behandelt. Die Kenntnisse über die funktionale Charakterisierung und die grafische Darstellung dieser Funktion werden im Unterschied zur linearen Abhängigkeit im Falle direkter Proportionalität im folgenden Mathematikunterricht also kaum benötigt.