Bestandteile des Wissens und Könnens und Stufen der Entwicklung der Körperbegriffe
Zum Wissen und Können in der räumlichen Geometrie zählen wir
- Kenntnisse zu den Begriffen Würfel, Quader, Prisma, Zylinder, Pyramide, Kegel, Kugel
- Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Zeichnen und Skizzieren von Schrägbildern, Grundrissen, Zweitafelbildern sowie Netzen von Körpern
- Kenntnisse zur Berechnung des Oberflächen- und Rauminhalts von Körpern
- Fähigkeiten zur Raumwahrnehmung und Raumvorstellung
Gemeinsamer Bestandteil dieser Könnensbereiche sind Fertigkeiten im Umgang mit Zeichengeräten sowie Gewohnheiten zum sauberen und exakten Arbeiten.
Bei der Aneignung von Kenntnissen sollten folgende Aspekte beachtet werden:
Kenntnisse werden durch Sprache vermittelt und durch Sprache zum Ausdruck gebracht.
Zentraler Bestandteil der Sprache sind Wörter. Wörter haben bestimmte Bedeutungen. Verschiedene Wörter können die gleiche Bedeutung haben (Synonyme), z. B. Volumen und Rauminhalt. Die meisten Wörter haben mehrere Bedeutungen (Polysemie). Die verschiedenen Bedeutungen haben oft gemeinsame Bestandteile. So bezeichnet das Wort Würfel sowohl einen bestimmten mathematischen Körper als auch einen Gegenstand, der bei Glücksspielen verwendet werden kann. Beiden Objekten ist gemeinsam, dass sie die gleiche Anzahl von Symmetrieachsen und Symmetrieebenen haben.
Zur Beschreibung der Speicherung von Kenntnissen im Gedächtnis kann das Modell eines semantischen Netzes verwendet werden, das aus Knoten (Sinneinheiten) und Kanten (Wegstrecken bei Gedächtnisleistungen) besteht. Die Aneignung neuer Kenntnisse bedeutet dann ihre Integration in vorhandene Netze; es werden neue Sinneinheiten sowie Kanten zu vorhandenen Sinneinheiten ausgebildet.
Unter einem Begriff kann man eine festgelegte Bedeutung eines Wortes verstehen. Die Festlegung kann explizit z. B. durch eine Definition im Rahmen einer Wissenschaft oder implizit durch die Art der Verwendung des Wortes in Kontexten erfolgen.
Bei der Aneignung eines Begriffes im Mathematikunterricht geht es um die Aneignung von bestimmten Kenntnissen, d. h. um die weitere Ausbildung des semantischen Netzes der Schüler. Dabei können neue Wörter als neue Sinneinheiten angeeignet, vorhandene Wörter mit neuen Bedeutungen belegt oder weitere Verbindungen zwischen Sinneinheiten ausgebildet werden. Die Aneignung von Begriffen kann sich deshalb über einen längeren Zeitraum der schrittweisen Ausbildung der betreffenden Teile des semantischen Netzes erstrecken. Bei der Aneignung wird der Begriff oft durch einen Prototyp repräsentiert. Dies ist ein typisches Beispiel, das für den Begriff steht und beim Nennen des Wortes zuerst reaktiviert wird.
Im Prozess der Aneignung von Begriffen im Mathematikunterricht sowie bei der Überprüfung seiner Ergebnisse können zwei Grundhandlungen unterschieden werden:
- Ein vorgegebenes Objekt wird durch den Schüler oder Lehrer mit dem betreffenden Wort bezeichnet bzw. als nicht zutreffend erkannt (Begriffsidentifizierung).
- Zu dem betreffenden Wort stellt sich der Schüler einen Repräsentanten des Begriffs vor bzw. gibt ihn schriftlich, durch eine Zeichnung oder die Herstellung eines Modells an (Begriffsrealisierung).
Ein Grundproblem der Aneignung von allen Begriffen im Mathematikunterricht ist die Berücksichtigung des Wechselverhältnisses von formalen und inhaltlichen Bedeutungen. So bezeichnet der Begriff Würfel sowohl einen bestimmten Körper in der Mathematik als auch eine bestimmte Form von realen Körpern. Eine Vermittlung zwischen den konkreten Objekten und den abstrakten Begriffen erfolgt mit Hilfe materieller Modelle der Begriffe, die als Unterrichtsmittel verwendet werden. Ein Körpermodell ist einerseits ein konkretes Objekt und andererseits eine Abstraktion der Form von Objekten, die in der Praxis vorkommen.
Stufen der Entwicklung der Körperbegriffe
Es sollten drei Stufen der Entwicklung der Körperbegriffe konzipiert werden, die sich in der Dominanz der Seiten des Grundverhältnisses unterscheiden.
Auf der ersten Stufe (Kl. 1 – 4/5) dominiert das reale Objekt. Es werden die Form der Objekte mit Hilfe einiger Merkmale beschrieben, Modelle gezeigt und die Bezeichnungen Würfel, Quader, Zylinder, Kegel, Pyramide und Kugel für typische Repräsentanten eingeführt.
In der zweiten Stufe (Kl. 5/6 – 8, z. T. 9) werden die Merkmale der einzelnen Körper systematisch untersucht, die bisherigen Vorstellungen zu typischen Repräsentanten verallgemeinert, Begriffsbeziehungen hergestellt, Volumen und Oberflächenberechnungen durchgeführt und Darstellungen der Körper mir verschiedenen Verfahren vorgenommen. Es dominiert in dieser Stufe der abstrakte Begriff, auch wenn bei allen Körpern bei der Einführung und insbesondere der Festigung des Stoffes Bezüge zu realen Objekten hergestellt werden.
In der dritten Stufe (Kl. 9 – 10, z. T. ab Kl. 8) dominiert erneut das reale Objekt. Es wird mit Hilfe der elementaren Körperbegriffe die Form realer Objekte beschrieben. Dabei können die Objekte aus elementaren Körpern zusammengesetzt sein, aus elementaren Körpern durch Entfernen von elementaren Körpern entstanden sein (z.B. Körperstümpfe) oder in ihrer Form näherungsweise elementaren Körpern oder Zusammensetzungen aus ihnen entsprechen.